"'Jäten im Paradies' ich will und kann hier niemandem das Nachdenken über diese Licht-Bild-Ton-Material-Installation abnehmen. Schauen, hören Sie selbst [...]
Trotzdem: Jäten im Paradies? Was denn? Ein Paradies ist paradiesisch, im Garten Eden wächst kein Unkraut. Oder wuchert es doch und wir sehen es erst, wenn die Frucht vom Baum der Erkenntnis gepflückt ist? Öffnen Sündenfälle unsere Augen für die nackten Tatsachen? Oder ist es umgekehrt? Müssen wir fällen, abschneiden, weghacken, damit unsere Welt bleiben kann, was sie ist: nicht die beste aller Welten, aber immerhin eine verbesserbare und sowieso die einzige, die wir haben?
Gerhard Göschel liefert keine Rettungsrezepte. Aber er äußert sich unmissverständlich darüber, was dieser Planet nicht braucht. 'Platzhirsche', die sich goldene Nasen verdienen, zum Beispiel.
Er malt sie aber auch, die mächtig mächtigen Bescheidsager. Er malt sie in Reihe hinter einem Abendmahlskonferenztisch à la Leonardo da Vinci, an dem sie gesichtslos 'Tabula rasa' machen. Das Bild hängt in der Hamburger Hauptverwaltung der Techniker
Krankenkasse. Vorstandsetagenkunst ist es nicht!
Diese Gattung verlangt nach schlechten Beobachtern und noch schlechteren Prognostikern. Gerhard Göschel guckt genau hin und vermag verblüffend zu antizipieren. Zum Beweis: Die Finanzkrise war 2009, seine Arbeit 'Und nun wieder Aktienkurse' datiert aus dem Jahr 2001.
Doch seine vielleicht schonungsloseste Stellungnahme zu den Verhältnissen, die nicht so sind, wie sie sein könnten, dürften die 'Mündigen Bürger' von 1993 sein. Denen fehlt zum Mündigsein vor allem eines: der Mund! Sie haben Nasen, mit denen sie den Braten womöglich noch riechen, aber wiederum keine Augen und Ohren, Wozu auch, ihre Köpfe sind verkabelt, was die Steuerung erheblich vereinfacht. Es ist ein Paradoxon, aber bei Werken wie den gerade aufgezählten, werfen die Schatten Lichter auf unser gegenwärtiges Dasein."
Laudatio zur Ausstellung "Jäten im Paradies" in der Kunsthalle Brennabor, Brandenburg an der Havel, 17. April 2010.